Black + White Show in Tuusula, Finnland

Telefonanruf aus Finnland, ein paar Tage nach der Bundessieger: Juha Palosaari lud mich ein, Scottish Terrier auf der Black + White Show in Finnland zu richten. Die ursprünglich vorgesehene Richterin aus Italien hatte kurzfristig absagen müssen. Finnland? Viel zu weit weg, da müsste ich ja fliegen – Nein! Außerdem bin ich schließlich keine anerkannte Richterin.

Ca. 10 Minuten später war ich schon fast überredet. Es war eine „Open Show“, es wurden keine Anwartschaften vergeben, daher müssten die Richter nicht von einem Verband anerkannt sein. Natürlich fühlte ich mich sehr geehrt. Außerdem wäre es sehr reizvoll, viele Scotties zu sehen und miteinander vergleichen zu können, die ich sonst vermutlich nie zu sehen bekommen hätte. Dieser Gedanke gewann im Verlaufe des Gespräches die Überhand. Da schien die Angst vor 2 ½ Stunden Flug direkt überwindbar zu sein. Kurze Rücksprache mit meinem Lebensgefährten, Rainer Schnock. Er sagte: „Warum überlegst Du noch?“ OK, ich sagte zu!

Hotel und Flug wurden von Finnland aus gebucht. Die Flugbestätigung kam per Mail – in Finnisch. Außer den An- und Abflugzeiten konnte ich gerade noch „Düsseldorf“ und „Helsinki“ lesen. Was für eine Sprache! Außerdem erfuhr ich, dass 34 Scotties gemeldet waren und dass es keine Beschwerden der Aussteller wegen der unverhofften Richteränderung gegeben hat. Das freute mich natürlich sehr.

Die Woche vor der Schau war aufregend. Würde ich der Aufgabe gewachsen sein? In 25 Jahren habe ich zwar unzählige Scotties „in der Hand“ gehabt, aber sie zu werten und zu platzieren war eine völlig andere Sache. Wie würde ich damit umgehen, wenn eine Klasse sehr ausgeglichen ist? Oder – fast noch schwieriger – wenn eine Klasse unausgeglichen ist? Oder - wenn mir gleich mehrere Punkte an unterschiedlichen Hunden gefallen oder nicht gefallen? Würde ich „meinen Typ“ finden?

Das Hotel Flamingo ist Teil eines riesigen Shopping- und Event-Centers.

Am Freitag ging es los. Der Flug nach Helsinki verlief gottlob ruhig. Meine Gedanken wanderten zu den Ausstellern. Sind sie ebenso gespannt, wie ich es vor jeder Schau bin? Zu dieser Zeit stünde ich gewöhnlich am Trimmtisch, um meine Scotties in möglichst optimale Kondition für den nächsten Tag zu bringen. Würden sie dem Richter gefallen? Wer kommt, wer kommt nicht? Es war spannend, diese Szene einmal von der anderen Seite aus zu betrachten.

Ich musste lächeln – dabei saß ich in einem Flugzeug, mehrere 1000m über der Ostsee! Trotzdem war ich sehr froh, als ich wieder festen Boden unter den Füßen hatte.

Meine ersten Eindrücke: Die Autos waren hier lauter als bei uns. Wegen des unberechenbaren Wetters fuhren fast alle mit Spikes, die bei uns seit den 70er Jahren verboten sind. Selbst in Südfinnland wurde es sehr früh dunkel: um 16:00 ist es zappenduster. Verschiedene Dinge waren streng geregelt. Das Taxi wurde von einer freundlichen Mitarbeiterin des Flughafens zugewiesen und am Eingang eines jeden Restaurants stand ein Schild in mehreren Sprachen „Please wait to be seated“ (“Bitte warten Sie, bis Sie einen Platz zugeteilt bekommen“).

Am Abend lernte ich die Organisatoren der diesjährigen Black + White Show, kennen: Juha Palosaari (Kennel Starrings) und Vesa Lehtonen (Kennel Who’s), beide sind erfolgreiche Westiezüchter.

Beim Abendessen machten sie die Westie Richterin Lorena Lotzniker aus Italien (Kennel Riva d’Arno) und mich mit den Finnischen Schauregeln bekannt.

Am nächsten Morgen ging es nach Tuusula, nicht weit von Helsinki. Auf dem Weg hatten wir noch kurz Zeit, das Haus von Jean Sibelius zu besuchen, dem berühmtesten Finnischen Komponisten. Dann ging es weiter durch eine typisch Finnische Gegend, wie ich sie mir vorgestellt hatte: Viel Wald, um vereinzelte Seen verstreute Häuser.

Die Schau fand in einer Turnhalle statt. Sie war liebevoll, ganz im Halloween Stil hergerichtet. Ich wusste ein sehr kompetentes Ringteam an meiner Seite. Juha Palosaari fungierte als Schreiber und Vesa Lehtonen als versierter Steward geleitete mich durch die Finnischen Schauregeln. Die Klassen waren fast identisch mit denen auf Deutschen Schauen. Allerdings, wie in allen skandinavischen Ländern, wurden hier am Ende zusätzlich die 4 besten Rüden und die 4 besten Hündinnen platziert. Um die Teilnehmer an diesem Wettbewerb festzulegen, vergab der Richter in den Klassen zusätzlich den sogenannten „Honour Price“ (HP) an die Hunde, die er im Wettbewerb um die 4 besten Rüden oder Hündinnen wieder sehen wollte.

m Umkehrschluss heißt das: Alle Hunde mit HP erschienen im Wettbewerb um den besten Rüden bzw. um die beste Hündin, sortiert nach Klasse und Platzierung wieder im Ring. Eine Regel, die ich persönlich sehr schätze.

Es hat mich besonders gefreut, dass alle 34 gemeldeten Scottish Terrier auch gezeigt wurden. Sie zu richten, war für mich genauso spannend wie ich es mir vorgestellt hatte. Einige Klassen waren einfach zu entscheiden, andere wiederum sehr schwierig weil sehr ähnlich oder eben sehr unterschiedlich in Qualität und Typ.

Besonders beeindruckte mich, dass viele Hunde sehr gute Schulterlagen hatten. Dadurch bedingt waren natürlich viele vorzügliche Oberlinien zu sehen. Manchmal hätten die Vorderläufe gerader und die Ellbogen besser anliegen können - dieses Problem ist aber auch in anderen Ländern weit verbreitet.

Es gab viele sehr schön schmal geschnittene Köpfe. Einige Hunde hatten aber einen schwachen bis kaum fühlbaren Stop vor den Augen, wodurch sie keinen so typischen Ausdruck hatten.

Die Rutensitze und Hinterhandwinkelungen waren sehr unterschiedlich. Besonders verwundert war ich, dass manche Hunde mit nicht so ausgeprägter Hinterhandwinkelung ein wirklich schwungvolles und paralleles Gangwerk zeigten, während einige mit guten Winkelungen nur wenig Schub hatten.

Die Größe und Knochenstärke ist mit unseren Hunden vergleichbar. Teilweise waren sie schon sehr elegant, mit extrem langen Hälsen.

Rassebester (BOB) Scottish Terrier und Res. Best in Show wurde Ch. Brueik Summa Creation (Ch. Berrybreeze Ilumination x Ch. Brueik Summabreeze), gezüchtet in England von Liz Bradley. Besitzerin: Arja Tuuliniemi.

Dieser Rüde gewann die mit 5 Hunden stark besetzte Championklasse. Er ist genau mein Typ Scottie mit sehr schönem Kopf und Ausdruck. Kräftiger, kurzer Körper, prima Winkelungen und ein wunderschönes, paralleles Gangwerk mit viel Schub. Als ich nach dem Richten in den Katalog schaute, war ich sehr überrascht und musste lachen. Er war der einzige Englische Import im Feld. Im Laufe dieses Jahres wurde er in mehreren Europäischen Ländern gezeigt. Allerdings war ich ihm bis jetzt nie begegnet.

Der 2.beste Rüde war ein weiterer Import, diesmal aus Deutschland: Lucky Star’s Mr. Merlon (Ch. Stuane Lock Smith x Lucky Star’s Midnight Lady), Züchterin: Viola Rogolus, Besitzerin: Tuula Taipale, Kennel Mistings. Er gewann die Zwischenklasse.

Beste Hündin wurde aus der Jugendklasse eine Tochter des BOB Rüden: Quaint Nuez Moscado (Ch. Brueik Summa Creation x Ch. Quaint Like a Spice). Züchter und Besitzer: Reijo Portala.

Sie ist eine wunderschöne, gerade 10 Monate alte gestromte Hündin. Sehr elegant und stylish und trotzdem schon kompakt, mit tiefem Körper. Mit jedem Mal, wenn sie zu Entscheidungen in den Ring kam, wurde sie immer sicherer und zeigte ihr schwungvolles Gangwerk bei schöner oberer Linie. Im Ehrenring wurde sie außerdem Best Junior in Show, was mich natürlich sehr gefreut hat. Nach dem Richten erfuhr ich, dass dies ihre erste Schau war – Hut ab.

Quaint Nuez Moscado,  Ch. Brueik Summa Creation

Sightseeing in Helsinki: Juha Palosaari, Vesa Lehtonen, Maren Bichel, Lorena Lotzniker

Die beste Scottie Zuchtgruppe wurde auch Best Group in Show: Kennel Bartos, Züchter: Jouni Perttula.

Alle gemeldeten Hunde dieser Zucht waren sehr ähnlich im Typ. Es waren 6 Wurfgeschwister in 6 verschiedenen Klassen gemeldet (Rüden und Hündinnen jeweils in Jugend-, Zwischen- und Offener Klasse), davon konnten 4 sogar ihre teilweise sehr starken Klassen gewinnen. Um die beste Hündin belegen sie die Plätze 2, 3 und 4. Bei diesen Hunden ist wieder ein Deutscher Import beteiligt: Vater Ch. Zito vom Landsberg.

Für mich war es eine unglaublich spannende Erfahrung und eine große Freude, so viele schöne Scottish Terrier richten zu dürfen. Ich habe es sehr genossen!

Vom Dom aus kann man über die Häuser bis zum Hafen sehen.

Nach der Schau hatten die Organisatoren zu einem stilvollen Abendessen eingeladen, an dem auch Arja Tuuliniemi, die Besitzerin des Rassebesten Scotties teilnahm. Am Sonntag stand für Lorena Lotzniker und mich Sightseeing in und um Helsinki auf dem Programm. Auch hier erwiesen sich Juha Palosaari und Vesa Lehtonen als perfekte Touristenführer.

Dann ging ein aufregendes Wochenende mit einem aufregend turbulenten Rückflug zu Ende – aber auch den habe ich erstaunlicherweise überstanden.

Maren Bichel

Black + White Open Show

in Tuusula, Finnland, 31.10.2009

gemeldete Scotties: 34

Richterin: Maren Bichel

Die Ergebnisse:

rechts: Perhaps Stepping Stone, BOB Puppy

links: Bartos Ultra Max, BOS Junior

rechts: Quaint Nues Moscado, BOB Junior

links: Quaint Nues Moscado, BOS

rechts: Brueik Summa Creation, BOB

Vater und Tochter. Beide substanzvoll und trotzdem elegant.

links: Happy White Hard Step, Best in Show

rechts: Brueik Summa Creation, Reserve Best in Show

Neben einem Bericht über die Ausstellung wurden auch alle Richterberichte veröffentlicht. Ich fand es sehr spannend, meine eigenen Berichte noch einmal zu lesen und mir dabei die entsprechenden Hunde vorzustellen.

Dabei wurde mir wieder einmal bewusst, wie schwer es ist, einen in allen Teilen vorzüglichen Hund zu züchten - aber das macht es ja gerade so spannend!

Nach meiner Rückkehr aus Finnland wurde ich inzwischen oft gefragt, ob ich wohl jetzt eine Richterausbildung machen wolle. Antwort: Nein. Es hat mir großen Spaß gemacht, so viele schöne Scotties zu richten. Aber am liebsten stelle ich meine Hunde selbst aus oder genieße die Wochenenden Zuhause.